Beitrag von Rechtsanwältin lic. iur. Bettina Diggelmann LL.M., Partnerin

Revision des Erbrechts per 1. Januar 2023

Der Bundesrat hat kürzlich beschlossen, die erste Etappe der Erbrechtsrevision per 1. Januar 2023 in Kraft zu setzen. Die Eckpunkte der Revision werden nachfolgend kurz dargestellt.

  1. Reduktion der Pflichtteilsrechte und Vergrösserung der freien Quote

Die Pflichtteile der Nachkommen des Erblassers werden reduziert, der Pflichtteil der Eltern wird sogar ganz abgeschafft. Der Pflichtteil des Ehepartners bzw. der eingetragenen Partnerin bleibt dagegen unverändert. Dies bedeutet, dass der Erblasser künftig über einen grösseren Teil, nämlich die Hälfte des Nachlasses, frei verfügen kann. Damit wird es insbesondere möglich, beispielsweise einen faktischen Lebenspartner stärker zu begünstigen.

Die beschlossene Reduktion der Pflichtteile erleichtert auch die Nachfolgeregelung bei Familienunternehmen. Soll beispielsweise die Unternehmensführung nur einem von mehreren Nachkommen übertragen werden, können die bisherigen Pflichtteils- bzw. Auszahlungsansprüche der übrigen Nachkommen zu einer Zersplitterung des Betriebes führen.

In diesem Zusammenhang beabsichtigt der Bundesrat, im Rahmen einer zweiten Revisionsetappe noch weitere Erleichterungen der erbrechtlichen Übertragung eines Unternehmens einzuführen. Gemäss Vorentwurf sind dies insbesondere das Recht eines Erben auf Integralzuweisung eines Unternehmens, womit eine Zerstückelung des Unternehmens verhindert werden könnte; die Möglichkeit für den Unternehmensnachfolger, gegenüber anderen Erben einen Zahlungsaufschub zu erhalten, um Liquiditätsprobleme des Unternehmens zu vermeiden; und die Einführung spezifischer Regeln für den Anrechnungswert des Unternehmens in der Erbteilung. Die bundesrätliche Botschaft zuhanden des Parlaments für diesen zweiten Teil der Erbrechtsrevision war ursprünglich für Herbst 2021 geplant, könnte aber aufgrund anderer dringlicher Geschäfte auch erst in einigen Monaten folgen.

  1. Konkubinatspaare

Keine Änderungen ergeben sich für nicht verheiratete Lebenspartner. Ihnen steht nach wie vor kein gesetzliches Erbrecht zu. Im Zuge des Revisionsverfahrens war zwar die Einführung eines Rentenanspruchs vorgeschlagen worden, was allerdings keinen Eingang ins Gesetz gefunden hat. Aus diesem Grund muss seinen Nachlass weiterhin mittels letztwilliger Verfügung regeln, wer seinen Lebenspartner erbrechtlich begünstigen möchte.

  1. Begünstigung des überlebenden Ehegatten

Räumt der Erblasser dem überlebenden Ehegatten gegenüber den gemeinsamen Nachkommen die Nutzniessung am Nachlassvermögen ein, beträgt neben der Nutzniessung die frei verfügbare Quote neu die Hälfte des Nachlasses. Auch dies bedeutet eine Vergrösserung der Dispositionsfreiheit insbesondere mittels Testament.

  1. Ehegatten in Scheidung

Geschiedene Ehegatten haben bereits heute keine erbrechtlichen Ansprüche mehr im Nachlass des geschiedenen Gatten. Neu entfällt ein solcher Anspruch in der Regel bereits mit Einleitung des Scheidungsverfahrens, sofern nichts anderes geregelt wurde.

  1. Übergangsrecht

Grundsätzlich kommt auf den Nachlass das im Zeitpunkt des Todes geltende Recht zur Anwendung. Das bedeutet, dass ab dem 1. Januar 2023 das neue Recht und insbesondere die neuen Pflichtteile gelten, auch wenn bereits heute eine letztwillige Verfügung besteht. Allerdings können sich dadurch Auslegungsfragen ergeben, beispielsweise wenn im bisherigen Testament Pflichtteilserben erwähnt sind, die neu keinen gesetzlichen Anspruch mehr hätten. Wurden diese nur erwähnt, um die gesetzliche Ordnung zu wiederholen, oder wollte der Erblasser ihnen tatsächlich – dann aber auch: unabhängig von der neuen Gesetzeslage – eine entsprechende Quote zuwenden? Es empfiehlt sich daher, bestehende letztwillige Verfügungen entsprechend zu überprüfen und allenfalls zu aktualisieren.